Dämonen in Berlin: Jesús Cañadas

Leute, die nachts ACAP – All Cops Are Bastards – an Hauswände und auf S-Bahnen sprühen, stellen sich die Polizei wohl exakt so vor wie jene Schreckfiguren, die bei Jesús Cañadas durch Berlin wüten. In seinem Roman „Am Anfang ist der Tod“ lässt der Spanier den Kripo-Neuling Lukas Kocaj im Eiltempo verrohen.  Verdächtige werden da serienmäßig zu Brei geprügelt. Und verdächtig ist eigentlich jeder, der nicht schnell genug ausweicht.

Für Fans von „Inspektor Morse“ ist Cañadas Unsittenbild also auch anfangs nichts, solange man es noch für einen Polizeiroman halten könnte. Wobei heillos hartgesottene Krimileser vielleicht anmerken würden, dass das Berlin hier so menschenzerfleischend ist, dass skrupellose Bullen die einzige Schutzmacht sind, die noch eine kleine Chance auf Wirksamkeit hat.  Alle werden sich jedenfalls fragen, was „Am Anfang ist der Tod“ (Suhrkamp Taschenbuch, ET 25.09.2023) auf einem Fantastikfestival zu suchen hat, warum Jesus Cañadas bei den Dragon Days zu Gast ist.

Diese Frage wird spätestens dann beantwortet, wenn ein grausiges Wesen aus den Schatten tritt, dessen stinkender Umhang mit ausgerissenen menschlichen Zähnen geschmückt ist. Cañadas macht Sprachbilder wie jene von den höllischen Zuständen in urbanen No-Go-Areas und vom Fegefeuer, durch das Verbrechensopfer gehen, zur Realität. „Am Anfang ist der Tod“ wird zum Horrorroman, der sein Thema immer drastischer illustriert: dass Gewalt gegen Frauen keine Summe schwindelerregend vieler Einzelfälle ist, sondern eine organisierte Religion.

Jesús Cañadas, der seit einigen Jahren in Berlin lebt, ist also ein perfekter Gast für ein Fantastikfestival. Er wird uns gewiss einiges über die Horrorszene Spaniens berichten können, aber vielleicht auch erklären, warum man in Berlin lebt, wenn man diese Stadt (ganz zu Recht) für das Mülleimerhäuschen der Hölle hält. Wer sich für modernen Horror oder Krimis am Rande des Wahnsinns interessiert, ist hier also richtig: Mickey Spillane trifft Clive Barker. Aber für ganz zart Besaitete wird das nicht der ideale Abend.

 

Jesús Cañadas

Di, 24.10.2023 | im Anschluss an “Traumjob Autor(in)?” | Stadtbibliothek am Mailänder Platz | Café LesBar, 8. OG
Um 19:30 Uhr startet „Traumjob Autor(in)?“, im Anschluß – ca. 20.30 Uhr – geht es weiter mit Jesús Cañadas

Eintritt: 4,- Euro | ermäßigt 2,50 Euro (gilt auch für das vorhergehende Panel “Traumjob Autor(in)?2
Kartenreservierung: karten.stadtbibliothek@stuttgart.de | Tel. (0711) 216-96527

In Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek Stuttgart