Japans Gespenster: Natasha Pulley kehrt zurück

Lange war die allererste Assoziation, wenn unter Fantastikfreunden die Rede auf Tentakel kam, der Monsterkosmos von H. P. Lovecraft. Doch mittlerweile gibt es ernsthafte Tentakelkonkurrenz, wenn auch welche mit Rädchen und Federchen, eine Nebenfigur aus Natasha Pulleys Debütroman „Der Uhrmacher in der Filigree Street“ nämlich: Katsu, den mechanischen Uhrwerk-Oktopus.  Die Britin hat dieses Buch damals bei den Dragon Days vorgestellt, und diesen Abend haben wohl alle Dabeigewesenen noch gut in Erinnerung. Es wird also niemanden verwundern, dass wir Natasha mit Freuden wieder eingeladen haben: am Mittwoch, dem 25.Oktober, wird sie bei uns den Roman „Die verlorene Zukunft von Pepperharrow“ vorstellen, in dem wir vielen Figuren aus ihrem Debüt wiederbegegnen können.

Aber Natasha macht es sich wunderbarerweise schwer. Sie klammert sich nicht ängstlich an das, was einmal geklappt hat und gut ankam, sie wechselt von Buch zu Buch Grundkoordinaten, Orte, Zeiten, Figuren, sogar das Genre. Will heißen: sie sorgt für immer neue Leseabenteuer und Überraschungen.

Natasha hat mit ihrem „Uhrmacher“ die sehr eigene, stilvoll gedämpfte Variante eines Clockpunk-Universums vorgelegt. Aber sie hat es eben nicht sofort weiter ausgebaut. Davon kann man sich bei der – unbedingt anzuratenden – Lektüre von „Der Leuchtturm an der Schwelle zur Zeit“ überzeugen, einer herrlich vertrackten Riss-im-Raum-Zeit-Gefüge-Geschichte, die zurückführt in die Napoleonischen Kriege. Kein Katsu weit und breit. Zuletzt hat Natasha Pulley in Großbritannien übrigens eine Art alternativer Kalte-Kriegs-Thriller vorgelegt, ihr nächstes Buch dagegen wird eher Science-Fiction werden. So viel erfrischende Vielseitigkeit traut sich sonst kaum noch jemand. Man muss die aber auch erst mal draufhaben.

Ihr ahnt es: auch „Die verlorene Zukunft von Pepperharrow“ bietet nicht einfach ein ähnliches Abenteuer wie „Der Uhrmacher in der Filigree Street“. Das Buch führt zügig aus dem spätviktorianischen England in ein Japan, das einerseits noch dem Denken und den Werten der Samurai-Epoche verhaftet ist, andererseits von innen und von außen in eine industrialisierte Moderne getrieben wird. Wobei dann rasch massenhaft Gespenster auftauchen – ein Motiv, das Natasha clever mit allem übernatürlichem Grusel ausstattet, zugleich aber in alternativen „wissenschaftlichen“ Erklärungen verwurzelt.

Dank eines Stipendiums hat Natasha  19 Monate lang in Japan gelebt, gelernt und gearbeitet. Ihr Roman hat also mehr zu bieten als ein bisschen Asia-Schick aus dem Einrichtungskatalog. Und ja, Katsu ist endlich wieder mit dabei, auch wenn er nicht die Hauptrolle spielt.  Dass sich viele wünschen, er möge die endlich mal bekommen, wissen wir natürlich. Daher unser Rat: kommt vorbei und äußerst diesen Wunsch unbedingt persönlich. Natasha hat genug Ideen, um noch lange nicht in die Welt des kleinen Uhrwerktierchens zurückkehren zu müssen. Aber vielleicht gibt ihr die Neugier der Fans ja den Anreiz, es doch zu versuchen. Das Ergebnis wird dann – zum Glück – auf jeden Fall weder anders sein als alle ihre bisherigen Romane.

Natasha Pulley

Mi, 25.10.2023, 19.30 Uhr | Stadtbibliothek am Mailänder Platz | Café LesBar, 8. OG
Eintritt: 4,- Euro
Tickets: E-Mail: karten.stadtbibliothek@stuttgart.de | Tel. (0711) 216-96527

In Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek Stuttgart