Interview mit Stefan Dinter

Wie ist die Idee zu DIE TOTEN entstanden?

Wir hatten ein unregelmäßiges Treffen von Comic-Zeichnern in Stuttgart. Damals hat Christopher Tauber noch hier gewohnt, der inzwischen mein Co-Verleger ist und wieder nach Frankfurt zurückgezogen ist. Bei den Zeichner-Treffen sind wir irgendwie immer auf Filme zu sprechen gekommen - meistens Horrorfilme und darüber zwangsläufig auch zu Zombie-Filmen. Das ist ein sehr interessantes Horror-Sub-Genre, weil es ein sehr purer Horror ist. Zombie-Horror ist nicht zu Romantisieren, sondern es ist Bauch-Horror. Natürlich haben wir es immer besser gewusst! Wir haben einen Film gesehen und gesagt: Das hätten wir aber besser gemacht. Eines Nachts haben wir dann gesagt, das müssen wir uns auch mal beweisen, haben uns zusammengesetzt und unsere Ideen gesammelt. Am Ende der Nacht hatten wir eigentlich schon ein Konzept für eine Reihe zusammen. Wir wussten nur noch nicht was daraus werden soll. Natürlich denkt man immer, dass man einen großen Zombiefilm macht. Aber wir machen eben Comics und deshalb haben wir uns für eine Comicserie zu Zombies entschieden. Dabei hatten wir eine ganz gute Idee, nämlich das wir auf keinen Fall daran mitzeichnen sollten. Wenn Du selber anfängst daran zu arbeiten wirst Du nie fertig. Bei anderen Leuten kannst Du immer anrufen und fragen, wann sie endlich fertig sind.

Wie ging es dann weiter?

Wir haben uns dazu entschlossen ein sehr genaues Konzept der Welt zu machen, in der die Zombie-Geschichten spielen. Dabei wollten wir Autoren und Zeichner zusammenbringen. Es war uns wichtig, dass nicht „nur“ Comic-Autoren dabei waren. Comic-Autoren schreiben natürlich sehr Comichaft. Wir dachten uns, dass Hörspielautoren oder Romanautoren sicher einen anderen Zugang dazu hätten. Vor sechs Jahren haben wir dann auf dem Comic-Festival München rumgefragt, ob jemand an der Zombie-Reihe mitmachen will und alle waren Feuer und Flamme für die Idee. In Null Komma Nichts hatten wir eine super Crew zusammen.

Welche Zeitspanne umfasst Euer Konzept?

Zunächst mal haben wir das Konzept ganz genau für die ersten sechs Wochen der Infektion ausgearbeitet. Vor vier Jahren haben wir uns dann noch mal zusammengesetzt und das weiterführende Konzept für die ersten sechs Jahre geschrieben. Alles ist auf etwa 30 Jahre angelegt und wir wissen auch schon genau wie es aufhört.

Die Toten erzählt den Ausbruch einer Zombie-Epidemie aus einem europäischem Blickwinkel. Wie unterscheidet der sich von amerikanischen Vorbildern?

Ich glaube er unterscheidet sich dadurch, dass die europäischen Autoren noch keine Zombie-Sachen machen konnten und deshalb etwas anderes machen wollen. Wobei wir auch Leute getroffen haben, die genau den gleichen Zombie-Splatter wie die Amerikaner machen wollten. Weil Zombiefilme hauptsächlich in Hollywood gemacht werden, hat sich eine, wie ich finde, "unrealistische" Art des Umgangs mit diesen Monstern ergeben. Obwohl alles vernichtet ist, gibt es in diesen Filmen nach einem Jahr immer noch Munition zu finden und Autos, die gefahren werden können. Das sehe ich immer noch nicht ein aber es wird in Hollywood einfach gemacht, weil die Geschichten dort eben so erzählt werden. In den ersten Geschichten, die wir bekommen haben, funktionierten Autos gleich gar nicht mehr und die Leute mussten zu Fuß über eine von Autos verkeilte Autobahn gehen. Weil wir keine weiteren Vorgaben gegeben haben, bekamen wir sehr persönliche und sehr kleine Geschichten. Das funktioniert quasi wie bei einer Fernsehserie, da die Stories nicht aufeinander aufbauen und wir keine Hauptfigur haben, die bedient werden muss. Deshalb kann es auch Geschichten geben, wie die von einem Mädchen, das in einer Schule die einzige Überlebende ist und alle anderen in die Klassenzimmer eingesperrt hat. Das ist natürlich eine kleinere und privatere Story.

Jede Episode in DIE TOTEN spielt in einer anderen Stadt oder in einer Region in Deutschland. Schreibt jeder Autor über den Ort aus dem er kommt?

Das lustige ist, dass die meisten Autoren froh sind endlich mal darüber schreiben zu können, wo sie herkommen aber sie schreiben nicht unbedingt über die Stadt oder die Region, aus der sie kommen.  Ich kann eine Geschichte aus Stuttgart schreiben, obwohl ich vom Bodensee komme aber ich wohne hier schon lange genug, ich kenne die Stadt und die 500 Meter um die es in der Geschichte geht. Wir haben aber auch einen Autoren, der in München wohnt und seine Geschichte spielt in Ostwestfalen, weil er da herkommt. Ich finde es auch interessanter etwas über Ostwestfalen zu erfahren als über Berlin. Geschichten aus Berlin finde ich natürlich auch interessant aber Berlin ist ja komplett übermedialisiert. Während Ostwestfalen – den Begriff alleine finde ich schon sehr witzig – kaum jemand kennt. Auch ich habe eine Geschichte über das Dorf geschrieben, aus dem ich komme. Eigentlich über meinen Vater, der dort Landarzt ist und ich habe mir vorgestellt was ein Landarzt fünf Jahre nach dem Ausbruch einer Zombie-Epidemie macht. Da gibt es schöne Ansätze. Wir wollten eigentlich auch nicht, dass Deutschland im Zentrum steht - Du hast ja auch ganz richtig gesagt, dass der europäische Blickwinkel im Mittelpunkt steht - aber eigentlich auch nur weil wir hauptsächlich europäische Autoren kennen. Ein paar amerikanische Autoren kenne ich natürlich auch und es gibt schon einen Plan auch die irgendwann mal für eine Geschichte in unserem Universum anzufragen. In Amerika würde natürlich etwas ganz anderes passieren als hier, weil sie dort Waffen haben. Amerikaner würden vermutlich am Anfang auch ganz anders reagieren als Europäer.

Schusswaffen sind auch einer der Punkte, in der sich die Episoden in DIE TOTEN von amerikanischen Zombie-Comics unterscheiden. Es gibt zwar Ausnahmen, wie die Geschichte aus Frankfurt im ersten Band aber sonst werden kaum Waffen benutzt. Warum?

Wir haben in Europa eben keine Waffen und das mag ich für DIE TOTEN sehr. Dadurch müssen sie Protagonisten viel dichter an die Zombies ran. Man kann nicht aus 20 Metern Entfernung auf sie schießen, sondern man muss mit einer Axt aus dem Baumarkt – oder was man gerade zur Hand hat – drauf rumhauen. Bei DIE TOTEN kann man zwar auch Waffen finden, beispielsweise bei einem Polizisten aber dann ist nur eine Kugel drin.

Wer den Zettgeist Podcast kennt weiß, dass Du Dich auch mit Filmen auskennst. Schöpfst Du die Inspiration für Deine Zombies aus Filmen?

Ich persönlich bin sehr von den Romero-Filmen inspiriert. Romero hat eine komplett andere Sicht auf Zombies – eine soziale Sicht. Er ist ein Humanist, der möchte, dass sich Menschen und Zombies in die Arme nehmen. Ich möchte zwar nicht, dass sich Menschen und Zombies in die Arme nehmen aber dieser Humanismus in seinen Filmen interessiert mich sehr. Denn im Endeffekt sind Zombie-Geschichten immer Geschichten über Menschen, die nicht mehr anders können als... Kann ich noch moralisch leben in einer Welt in der es gar nichts mehr gibt? Nach welcher Moral würde ich dann leben? Das hat mich am meisten beeinflusst. Ansonsten würde ich sagen, dass mich Filme immer inspirieren. Ich unterrichte sequenzielle Illustration an der Merz Akademie und ich sage den Studenten immer: Menschen sind Erzählmaschinen. Wir können nicht anders als uns Geschichten zu erzählen. Alles was wir tun – den ganzen Tag lang – ist Geschichten erzählen. Wie wir uns anziehen, wie wir uns geben  ist immer ein Geschichtenerzählen. Das es Medien gibt, die es sehr vielen Menschen ermöglichen eine Geschichte mitzuerleben und daran teilhaben zu lassen, finde ich klasse.  Deshalb lese ich so gerne und deshalb sehe ich so gerne Filme, weil ich einfach andere Geschichten erleben möchte und je andersartiger sie sind, desto besser.

Auf Deinem YouTube Channel gibt es kurze Spots zu DIE TOTEN. Wie sind die entstanden? 

Tatsächlich ist die Idee für die Filme älter als die für den Comic. Mein Bruder Matthias hat in Ludwigsburg an der Filmakademie studiert. Er ist Regisseur und Drehbuchautor. Über ihn bin ich mit Notker Mahr zusammengestoßen und es stellte sich heraus, dass wir die gleichen Filme mögen und auch ähnliche Bücher. Eltern mit gleichaltrigen Kindern treffen sich sehr häufig und da wir zu ungefähr gleichen Zeit Vater geworden sind, haben wir uns auf einmal die ganze Zeit getroffen. Da Kinder die ersten zwei Jahre nicht wahnsinnig unterhaltsam sind, konnten wir sehr viel miteinander reden und haben immer mehr darüber gesprochen, dass wir einen Zombiefilm zusammen machen sollten. Es ist nichts geworden – hauptsächlich deshalb, weil die Kinder irgendwann drei sind und man dann ganz viel mit ihnen machen muss und kann und dann keine Zeit mehr da ist um andere Sachen zu machen. Als dann DIE TOTEN erschienen ist, kam Notker auf mich und hat vorgeschlagen, dass wir einfach Konzepte für ganz kurze Filme machen. Die haben wir geschrieben und dann passierte erst mal gar nichts. Bis Notker mich irgendwann anrief und sagte, dass er jetzt zwei Schauspieler hat und die ersten Filme machen wird. Anschließend ist er dann vorbei gekommen und hat mir die Rohfassung der Filme auf dem iPad gezeigt.

Wie hat Dir die Umsetzung gefallen?

Ich war total begeistert! Es ist so nah an dem, was wir mit DIE TOTEN machen. Ich sage ja immer, dass wir dokumentarisch vorgehen – deshalb rede ich auch von Realismus. Einfach die Kamera draufhalten. Unser Konzept war nicht zu zeigen wie der Zombie angreift sondern alles zu zeigen bis der Zombie angreift und in dem Moment gehen wir weg. Jetzt haben wir den vierten Film, in dem der Zombie auch tatsächlich zu sehen ist und wir basteln gerade an den nächsten zwei Filmen, bei denen es dann auch wirklich zur Sache gehen wird.

Stefan Dinter @ Dragon Days 2014

7. Juni 2014 | 14 Uhr | Literaturhaus Stuttgart, Saal 1+2
Zombie-Zeichnerallee

7. Juni 2014 | 15.45 Uhr | Literaturhaus Stuttgart, Großer Saal

Künstlergespräch: DIE TOTEN

Zombie-Tageskarte