Dragon Days

25.–29.10.2022

Liebe Freunde des Fantastischen,

in den USA machen gerade konservative Eltern und kleine Provinzbürokraten mobil gegen die Literatur – gegen die Art Literatur, die sie für unamerikanisch, pervers und jugendgefährdend halten. Was den Aktivisten aus der Make-America-Great-Again-Ecke nicht passt, wird aus Schul- und Gemeindebüchereien geschmissen – aktuell vornehmlich Literatur, die sich um Rassismus, Sexualität und Identitätsfragen dreht.
 
Aber der Grimm auf Bücher ist nicht neu. Immer wieder hat er sich an den Werken von Kurt Vonnegut jr. entzündet, vor allem an „Schlachthof 5“ von 1969. Dieses Werk ist eines jener Meisterstücke der Science Fiction, die ausnahmsweise vom Kulturestablishment als Klassiker der Literatur überhaupt akzeptiert werden. Trotzdem wird es immer wieder von Lehrplänen genommen und aus Schulbibliotheken geschmissen. Im kalten Provinzkaff Drake, North Dakota, zeigte man sich 1973 sogar völlig schmerzfrei. Nachdem die Schulverwaltung das Buch gebannt hatte, verfeuerte der Hausmeister die 32 Exemplare im Heizungskeller unter der Turnhalle. Die landesweite Empörung über diese Aktion, die man im damals 650 Seelen starken Drake nie ganz begreifen wollte, hat dem Buch viele neue Leser zugeführt.

Kurt Vonnegut hat im Februar 1945 in deutscher Kriegsgefangenschaft den Feuersturm von Dresden überlebt. Über diese fundamentale Erschütterung hat er erst mehr als zwei Jahrzehnte später geschrieben, mit den starken Mitteln der Fantastik. Seine Hauptfigur Billy Pilgrim, ebenfalls Dresden-Überlebender, wird dauerhaft aus der zeitlichen Verankerung gerissen. Er rutscht kreuz und quer, vorwärts und rückwärts durch sein ganzes Leben, ist mal jung, mal alt. Als ob das nicht anstrengend genug wäre, wird Billy dann auch noch von Außerirdischen entführt.

Aus diesem so wunderlichen wie großartigen Roman haben der Autor Ryan North und der Zeichner Albert Monteys einen ebenso wunderlichen, großartigen Comic gemacht. Wir haben Monteys, der den absolut passenden Stil zwischen Heimeligkeit und Hölle, zwischen knappem Realismus und vollem Cartoon-Wahnwitz gefunden hat, zu den Dragon Days eingeladen: Mittwoch, 26.10., 19.30 Uhr im Cinema. Was uns besonders freut: „Schlachthof 5“ hat seine deutsche Heimat beim Ludwigsburger Cross-Cult-Verlag gefunden.

Bild für Bild wird im Comic klar, warum die Konservativen in den USA dieses Buch gar nicht mögen: glorioses Heldenpathos fehlt völlig. Die Frage, wie sehr sich die Sieger auch im Kampf gegen das Böse mit Schuld beladen müssen, spielt eine große Rolle. Statt um Triumph geht es um Verwundung und Verrohung. Vor allem aber: die absurde Seite des Ganzen wird deutlich. Auch die des normalen friedlichen Bürgerlebens zuhause. Unter der Lupe von Vonnegut wirkt Amerikas Alltag so absurd wie der surrealste Science-Fiction-Einfall.

Neben Albert Monteys haben wir Matthias Wieland zu Gast, der den Comic übersetzt hat und in Sachen Grafische Literatur vielfach tätig ist. Das wird also sowieso schon für Comic- und SF-Fans ein spannender Abend. Aber wir bieten ja ein Doppelprogramm: auch der von Stephen King und George R. R. Martin gern gelesene Horrorautor Thomas Olde Heuvelt ist zu Gast. Zu ihm ein andermal mehr. Jetzt einfach der gute Rat: wer am 26. Oktober nicht gerade ein wichtiges Vorstellungsgespräch als Schulhausmeister in Drake, North Dakota, hat, sollte eine Karte für die Dragon Days im Cinema reservieren.

Bis bald,
Euer Dragon-Days-Team

25. – 29. 10. 2022
www.dragon-days.de

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