Interview mit Perry Rhodan Risszeichner Christoph Anczykowski

Wann und wie hast Du Perry Rhodan kennen gelernt?

Das war noch in den sechziger Jahren - meine Eltern erlaubten mir damals, die Serie RAUMPATROUILLE im ersten Programm anzuschauen. Die Science Fiction-Handlung, besonders aber das futuristische Design der Serie haben mich sehr  beeindruckt - und gezeichnet habe ich schon damals sehr viel. Später schenkte mir ein Schulfreund zwei mit Blaupapier durchgepauste Kopien der allerersten PERRY RHODAN-Risszeichnungen - Fotokopierer war zu der Zeit noch eine reichlich exotische Angelegenheit. Diese Zeichnungen haben mich ungeheuer fasziniert, thematisch habe ich sie jedoch zunächst nicht einordnen können. Erst, als ich später auf die realen PERRY RHODAN-Romanhefte mit weiteren Risszeichnungen stieß, war der Weg zu meinem Risszeichnungs-Hobby im wahrsten Sinne des Wortes vorgezeichnet. Die Romane habe ich zunächst nur deshalb gelesen, um die technischen Beschreibungen der Risszeichnungen verstehen zu können, später hat mich dann aber auch die Handlung gepackt ... :-)

Deine Risszeichnungen fertigst Du immer noch von Hand an - ohne  Computer. Wie lange brauchst Du durchschnittlich für eine Zeichnung?  Welchen Vorteil hat es ohne Computer zu arbeiten?

Zeichnen ist für mich immer noch das effektivste Medium zur Visualisierung von Ideen. Mit keinen anderen Medien kann vor allen Dingen beim Entwurf ähnlich frei und flexibel gearbeitet werden wie mit Blei-, Filz- oder Tuschestiften. Selbst moderne Grafik-Software erfordert bei einer Risszeichnung sehr viel Vorab-Planung, was meiner Erfahrung nach die Kreativität einschränken kann. Zudem verführt der PC mitunter zu gestalterischen Abkürzungen (Stichwort : »Copy and paste«), denen man sich nicht immer entziehen kann. Solchen Arbeiten fehlt es dann im Vergleich zu Handzeichnungen mitunter an ausreichender visueller Dynamik.

Wenn ich mir heutzutage im Internet die elektronischen Speed-Paintings - auch  professioneller Concept Art-Künstler - anschaue, so erkennt hier man nur noch selten deutliche stilistische Unterschiede. Das hat sicherlich auch mit der heutigen Arbeitsökonomie eines professionellen Designers zu tun, aber für mich sind die Zeichnungen von z.B. Syd Mead oder Ron Cobb immer noch der visuelle Gold-Standard.

Natürlich gibt es auch Risszeichner-Kollegen, die inzwischen hervorragend mit dem Computer zurecht kommen - in diesem Zusammenhang muss man z.B. Lars Bublitz erwähnen. Aber ich persönlich fremdele immer noch ein wenig mit dem PC, zumal er bei einer aufwendigen Risszeichnung kaum Zeitersparnis bringt - im Gegenteil !  

Ganz ohne den Computer läuft der Zeichenprozess aber auch bei mir nicht mehr ab. Der Entwurf und die Grundkonstruktion einer Arbeit wird zunächst mit Bleistift erstellt. Diese wird dann wie früher die technischen Zeichnungen üblich auf Transparentpapier durchgepaust und weiter ausgearbeitet. Danach erfolgt das Einscannen der fertigen Arbeit am Computer für den elektronischen Versand an den Verlag. Dies bietet einem zugleich noch die Möglichkeiten zur Retusche und notwendige Kontrast-Optimierungen. Je nach Aufwand kann dann die Arbeitszeit bis zur druckreifen Vorlage 40 - 80 Stunden betragen.

Perry Rhodan Risszeichner bist Du schon seit 1976. Wie hat sich der Stil Deiner Risszeichnungen seitdem verändert? Wie unterscheiden sich beispielsweise die Zeichnungen aus den 1980er Jahren von den Zeichnungen der früher 2000er Jahren? Worin besteht heute die Herausforderung an einer Zeichnung?

Angefangen habe ich als Schüler mit einem simplen HB-Bleistift, Geodreieck und Karo-Papier. Mit den Ellipsenschablonen und Tuschestiften von Rotring ging es dann etwas professioneller weiter, später kamen dann Rasterfolien und zeitweilig auch der Airbrush dazu. Heute verwende ich so ziemlich alles, was der Markt für graphischen Bedarf zur Verfügung stellt.

In den siebziger Jahren ging es bei den Risszeichnungen oft nur um die reinen Aspekte des technischen Zeichnens (»wie konstruiere ich eine exakte Rohrbiegung« u.ä.). Vor allen Dingen dimetrisch genau und sauber musste die Risszeichnung sein, gewünscht war vom Verlag auch eine kleine Beizeichnung.

Später erhielt man dann als Risszeichner von der Redaktion mehr kreative Freiheiten, seither stehen mehr die illustrativen Aspekte der Zeichnungen im Vordergrund. Wirkt die Darstellung genügend kontrastreich und plastisch? Ist der Hintergrund eventuell optisch zu überladen? Ist das Design ausreichend interessant?
Heutzutage liegt der Reiz des Risszeichnens u.a. darin, in den Arbeiten immer wieder etwas Neues und Überraschendes zu präsentieren. Ziel ist es, die Aufmerksamkeit des mit visuellen Reizen übersättigten Lesers zu gewinnen und ihn dazu zu bringen, sich mit der Zeichnung zu beschäftigen.

Welche Vorgaben bekommst Du von der Perry Rhodan Redaktion? Wie läuft die  Abstimmung mit den Autoren ab?

Als Risszeichner versucht man die technischen Inhalte der Romane und Exposés zu interpretieren und zeichnerisch umzusetzen. Spezifika gelten hierbei besonders für die in der Handlung explizit geschilderten Raumschiffe und Objekte. Früher hat man sich deren die Details oft aus den Romanen zusammengesucht, heutzutage  kann es aber auch schon einmal ein Techno-Exposé aus der Redaktion mit über zwanzig Seiten sein.
Bei den freien Themen entscheidet oft das persönliche "Kopfkino", das beim Lesen der Romane abläuft. Man überlegt sich zum Beispiel, so oder so könnte ein im Text nicht näher beschriebenes Objekt aussehen. Hierbei muss man aber beachten, dass das Design jeweils in den Kontext der schon erschienenen Romane und Risszeichnungen passt. Die neueste Version einer schon bekannten Raumschiff-Klasse muss daher bestimmte Grund-Charakteristika beinhalten, bevor man seiner Kreativität  freien Lauf lassen kann.
Direkten Kontakt zu den Autoren hat man als Risszeichner eher wenig, das meiste läuft über die speziell eingerichtete Risszeichnungs-Redaktion, die alles koordiniert.

Hauptberuflich arbeitest bist Du als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin. Wann findest Du mit diesem zeitintensiven Beruf überhaupt die Zeit zum zeichnen?

Zeit zum Risszeichnen - und für andere Hobbies - zu finden ist, in den letzten Jahren leider immer schwieriger geworden. Unter der Woche dauert mein durchschnittlicher Arbeitstag etwa neun bis zehn Stunden, oft gefolgt von Bürokratie, die das deutsche Gesundheitswesen immer mehr durchzieht.

Wenn man dann einmal abends ein paar freie Minuten zur Verfügung hat, gelingt es einem nicht immer, die notwendige Motivation und Kreativität zeitgerecht abzurufen. So beschränkt sich meine Zeichnerei meistens auf die Ferien, und die auch Abstände zwischen den Veröffentlichungen sind länger geworden. Aber zu einem persönlichen Risszeichnungs-Jubiläum konnte ich neulich wieder einige Arbeiten fertigstellen, und es hat immer noch Spaß gemacht.

Christoph Anczykowski @ Dragon Days 2015
Ausstellungseröffnung
2. Juni | 19.30 Uhr | Stadtbibliothek, Galerie b
Die Welt von Perry Rhodan Expertengespräch
19. Juni | 20.00 Uhr | Stadtbibliothek, Max-Bense-Forum