„Am Wochenende spiele ich einen Ork“

Inteview mit Tobias Frisch

Eigentlich ist Tobias Frisch (29) Videospieleentwickler in Ludwigsburg. In seiner Freizeit schlüpft er in die Rolle eines Orks, wie sie auch in den Büchern und Filmen von „Der Herr der Ringe“ zu sehen sind. Neben den eigentlichen Liverollenspielen tritt er mit seinen Kollegen bei Veranstaltungen wie den Dragon Days auf. Mit welchen Klischees dieses Hobby behaftet ist und woher seine Begeisterung für die Orks kommt, erzählt Frisch im Interview:

Wann bist du zum ersten Mal mit Orks in Kontakt gekommen?

Ich meine, dass das mit der „Der Herr der Ringe“ Verfilmung angefangen hat (überlegt). Ne das stimmt gar nicht. Durch das „Warcraft 3“ Computerspiel bin ich erstmals mit Orks in Berührung gekommen und anschließend habe ich die Verfilmungen von „Der Herr der Ringe“ gesehen. Das waren die beiden ersten Kontakte.

Warst du von Anfang an von den Orks begeistert?

Ich hatte schon immer ein Faible für die bösen Jungs in Filmen. Wahrscheinlich, weil deren Optik viel interessanter gestaltet ist. Als Kind war ich Ritter- und Drachen-Fan und ich glaube, das war einfach so bestimmt, dass sich das fortsetzt.

Orks werden in vielen Büchern oder Filmen als brutal und wenig intelligent beschrieben. Was reizt dich dennoch daran einen Ork zu spielen?

Mich reizt, dass es etwas komplett anderes ist, als einen Menschen darzustellen. Es stimmt nicht, dass Orks nicht intelligent sind, vor allem bei „Der Herr der Ringe“. Sie handeln instinktiver als Menschen, mehr impulsiv. Und das reizt mich einfach. Dinge auszuprobieren, ohne groß über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Brutal sind sie auf jeden Fall. Deren Kultur ist einfach eine komplett andere, eher vergleichbar mit früheren Naturvölkern.

Was macht den Ork aus, den du spielst?

Er gehört einer der niedrigsten und am schlechtesten angesehenen Rassen an. Er ist eine kleine miese Ratte, die es innerhalb ihres Trupps geschafft hat, in den Rang eines normalen Soldaten erhoben zu werden. Das findet er einfach so geil, dass er langsam zu einem arroganten Bastard wird und allen auf den Sack geht. Seine große Stärke ist, dass es noch viele andere von seiner Art gibt. Alleine ist er schwach, aber er kann sich sehr schnell zu einer Rotte zusammenfinden und dann gibt es Probleme.

Was ist für dich das Besondere an einem Live-Rollenspiel?

Es ist eine Art Improvisationstheater, weil man gleichzeitig Spieler und Publikum ist. Der Reiz ist, dass ich nie weiß, was mein Gegenüber macht und wie derjenige auf das reagiert, was ich mache. Man kann im Gegensatz zum Alltag Dinge ausprobieren, die man sonst in der Form nicht erleben würde. Im Endeffekt habe ich permanent kleine, soziale Experimente. Das ist wahnsinnig spannend. Und es kann eine Art Sport sein, wenn man wie ich, sehr gerne und viel kämpft. Das powert ziemlich aus. Es ist eine Mischung aus Hollywood-Showkampf und Sport.

Gibt es dein Kostüm irgendwo zu kaufen oder hast du es selbst gebastelt?

Das ist alles komplett selbst gemacht, abgesehen von der Maske. Die hat ein sehr guter Freund aus meinem Trupp gebaut. Er ist nämlich deutlich fähiger beim Modellieren als ich. Bei Plattenteilen und Rüstungselementen nimmt man manchmal das, was diverse Shops im Internet anbieten und modifiziert das extrem stark. Aber grundsätzlich kann man das nicht kaufen.

Wie lange dauert es, bis du das komplette Kostüm angezogen hast?

Geht recht fix. Mit Schminken von Augen- und Mundpartien so eine gute halbe Stunde.

Mit deinem Hobby gehst du sehr offen um. Wie waren die Reaktionen von Familien und Freunden darauf?

Die finden das in der Regel ziemlich gut. Ich muss meistens erklären, dass ich nicht einfach verkleidet im Wald rumrenne. Die Erklärung mit dem Improvisationstheater funktioniert eigentlich am besten und ich zeige immer auch Bilder oder Videos. Man muss nur aufpassen, dass man nicht gleich sagt: „Ich spiele übrigens am Wochenende ein Monster.“ (lacht). Man kann das auch ein bisschen vorsichtiger angehen. So richtig verstehen kann man das sowieso nur, wenn man das selber mal gemacht hat, was ich jedem empfehle.

Wie reagieren die Besucher, wenn ihr gerade an einer Veranstaltung wie den Dragon Days vor Ort seid?

Die meisten Erwachsenen finden es ziemlich cool. Da wir nur auf Veranstaltungen gehen, zu denen das auch passt oder wir eingeladen werden, weiß das Publikum grundsätzlich, was es erwartet. Die Meisten sind sehr begeistert davon, dass wir nicht nur die Kostüme tragen, sondern auch die Rolle einnehmen. Kinder reagieren sehr unterschiedlich. Viele sind extrem fasziniert, vielleicht begreifen sie das auch noch nicht so ganz, andere haben natürlich Angst und weinen. In dem Fall gehen wir entweder sofort weg oder nehmen die Maske ab und zeigen, dass einfach nur ein normaler, etwas verrückter Mensch darunter steckt.

Ihr wollt Tobias Frisch in Action sehen? Am Freitag, den 19. Juni, übernehmen die Orks ab 18 Uhr die Stadtbibliothek am Mailänder Platz

Tobias Frisch @ Dragon Days 2015
19. Juni | 18.00 Uhr | Stadtbibliothek am Mailänder Platz

Von Katharina Michel und Marcel Kuntz