TAG DER TOTEN – Interview mit Maike Sander

Maike Sander ergänzt die Präsentation und Ausstellung zu DER STAUB DER AHNEN von Felix Pestemer mit einem mexikanischen Totenaltar (Ofrenda) und einen Vortrag zum Día de los Muertos - dem mexikanischen TAG DER TOTEN. Im Interview berichtet sie über ihre Projekte zum Umgang mit Trauer.

 

Wie bist Du dazu gekommen, einen Laden für Trauerkultur zu eröffnen?

Den Laden habe ich vor knapp zwei Jahren eröffnet, die Idee dazu ist aus meiner Arbeit heraus entstanden. Ich entwickle Angebote, die sich mit dem Umgang mit Trauer und Erinnerung beschäftigen. Das sind vor allem Projekte an Schulen, Workshops für Kinder und Erwachsene und interkulturelle Veranstaltungen. Die Themen dazu kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Kunst, Kultur, Religion und Naturwissenschaft. Mich fasziniert die Vielfalt, mit der sich die Menschen seit jeher mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen und ich versuche, diese Vielfalt sichtbar zu machen und ihr eine Form zu geben. Häufig entstehen im Verlauf der Projekte Materialien, die viel zu schade sind, um in der Schublade zu verstauben. Dann entwickle ich daraus ein Produkt, das es später im Laden zu kaufen gibt.

 

Kannst Du ein Beispiel nennen?

Die „Ofrenda-Box“ ist ein Artikel, der aus den Schulprojekten entstanden ist. Zu einer Ofrenda, einem mexikanischen Allerseelenaltar, gehören einige typische Dinge, die bei uns nicht so einfach zu bekommen sind. Oft haben die Kinder aber Lust, später ihre eigene ofrenda nachzubauen und aus dieser Situation heraus entstand die Box. Sie enthält eine kleine original mexikanische Grundausstattung und Informationen zum Dia de los Muertos, so dass man sich damit einen kleinen Allerseelenaltar gestalten kann.

 

Wie sehen die Workshops aus, die Du anbietest?

Die Angebote richten sich nach den Berührungspunkten der Teilnehmer mit dem Thema. ErzieherInnen geht es meistens um ganz konkrete Beispiele, wie sich Fragen der Kinder zum Tod aufgreifen lassen. Die Workshops, die sich ausschließlich an Kinder richten, gehen eher spielerisch mit Begriffen wie Vergänglichkeit, Trauer und Neubeginn um. Im Frühling bauen wir in der Werkstatt die „Schmetterlingshäuschen“, eine Art Nistkästen für Schmetterlinge. Dabei erforschen wir den Weg vom Ei über Raupe und Puppe hin zum Schmetterling und nutzen dieses Bild, um über den Kreislauf des Lebens zu sprechen. Auch die Angebote für Jugendliche und Erwachsene nähern sich dem Thema meistens von der kreativen Seite. Die Herstellung der mexikanischen Zuckertotenköpfe für den Allerseelenaltar zum Beispiel ist ein Prozess, der Zeit benötigt. Dadurch entsteht die Gelegenheit, Wirkung und Sinn dieser Tradition zu erfahren. Steckt man bis zu den Ellenbogen im feuchten Zucker, wird der Bezug zur Realität ganz konkret.

 

Was findet man noch in Deinem Laden?

Ich sammle seltene Gussformen von Totenköpfen, Skelettfiguren und von Symbolen, die im Zusammenhang mit Vergänglichkeit verwendet wurden, und stelle Abgüsse davon her. Das ist eine Art Wiederbelebung dieser memento mori Objekte. Es gibt Spielboxen für Kinder, die zu den Workshops passen und viele andere Kleinigkeiten. Eines meiner Lieblingsstücke ist die Handpuppe „Der Tod“. Sie ist ein eigener Entwurf und knüpft an die lange Tradition dieser Figur an, die Mitte des letzten Jahrhunderts dann verschwand. Und es gibt, wie schon gesagt, ein großes Angebot an Dingen rund um den Día de los Muertos, die ich direkt aus Mexiko beziehe.

 

Woher kommt Dein Interesse für den Día de los Muertos?

Als ich vor acht Jahren begann, an den Themen für die Schulprojekte zu arbeiten, bin ich relativ schnell auf den Día de los Muertos gestoßen. Ich war beeindruckt von der Hingabe, mit der sich die Menschen ihren Erinnerungen und der Trauer um ihre Verstorbenen stellen. Einige Jahre zuvor war mein Mann bei einem Unfall ums Leben gekommen und mir war bewusst, wie wichtig es ist, dem Tod eines Menschen auch einen Platz im Leben zu schaffen, vor allem wenn ein Kind von dem Verlust betroffen ist. Ein wiederkehrender Feiertag, der von vielen Menschen begangen wird, bietet Trost und bildet eine Gemeinschaft, in der man nicht alleine ist mit seiner Trauer.

 

Im Verlauf der Schulprojekte zeigte sich dann, dass der Día de los Muertos auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen eine große Faszination ausübt. Obwohl er damals noch nicht so bekannt war wie heute und ich mit meinen Zuckertotenköpfen in der Hand erst schwere Überzeugungsarbeit leisten musste.

 

Sind diese Zuckertotenköpfe tatsächlich zum Essen gedacht?

In Mexiko gibt es verschiedene Sorten von „calaveras“. Meistens werden sie aus einer Zuckermasse hergestellt, die mit Wasser eingekocht wird. Daneben gibt es sie aus Schokolade, Marzipan oder eben aus Zucker, der in feuchtem Zustand mit etwas Eiweiss geformt wird. Die fertigen calaveras werden dann noch mit buntem Zuckerguss und farbigem Silberpapier verziert. Oft entstehen echte Meisterwerke, die nicht zum Essen gedacht sind. Die Schädel aus Marzipan oder Schokolade dagegen sind Süßigkeiten, die gerne an Kinder verschenkt werden.

Abgesehen von der Silberfolie enthält so ein Totenkopf aus Zucker also nur essbare Zutaten. Ob es ein Genuss ist, in so ein riesiges Stück Zucker zu beißen, ist die andere Frage. Allerdings war bisher in jedem meiner Workshops mindestens ein Kind dabei, das am Ende genüsslich seinen Totenkopf in den Mund gesteckt hat.

 

Weitere Informationen: meinlebenlang.de

Der Staub der Ahnen
Vortrag, Ausstellungseröffnung & Making of
Freitag, 12. Juli 2013, 20.00 Uhr
Felix Pestemer, Maike Sander
Ort: Konferenzzimmer, Großer Saal