WORMWORLD SAGA – Daniel Lieske im Interview

Im Juni zeigt die Buchhandlung Hugendubel Stuttgart eine Ausstellung zur WORMWORLD SAGA. Auf fünf Ausstellungs-Displays ist jeweils ein Ausschnitt aus einem der bisher erschienenen Kapitel des Webcomics von Daniel Liske zu sehen. Im Interview erzählt Daniel wie sein Webcomic entstand, sich daraus eine App- und schließlich ein gedrucktes Buch entwickelte.

 

Als Du angefangen hast die Wormworld Saga zu zeichnen bzw. zu schreiben hast Du noch für einen Spieleentwickler gearbeitet. An welchen Spielen hast Du mitgearbeitet und wie lange hast Du gebraucht bist Du das erste Kapitel in Deiner Freizeit fertig stellen konntest?

Ich habe ziemlich lange für Spieleentwickler gearbeitet, um die 10 Jahre. In der Zeit sind einige Spiele entstanden. Ich hab zum Beispiel an „Anstoß Action“ einem Fußballspiel oder an „Ballerburg“ mitgearbeitet. Etwas bekanntere Spiele waren „Sacred 2“  oder „Der Patrizier 4“ aber auch zahlreiche andere Games, zum Teil Werbespiele. Während ich in diesem Beruf noch tätig war, habe ich  in meiner Freizeit mit Wormworld begonnen. Ich habe ein ganzes Jahr gebraucht um das erste Kapitel zu gestalten. Das war dann Abends nach der Arbeit oder manchmal auch am Wochenende.



Wie hast Du den Comic entwickelt?

Zunächst habe ich die Geschichte auf Papier geschrieben - so eine Art Drehbuch gemacht. Allerdings habe ich relativ schnell festgestellt, dass ich die Geschichte sehen muss. Deshalb habe ich dann die Texte aus dem Drehbuch schon in eine ganz grobe grafische Vorversion von meinem ersten Kapitel eingetragen. Das waren nur in schwarz-weiß gemalte Skizzen, auf denen man ganz grob erkennen konnte was passiert. So entstand quasi eine Art illustriertes Drehbuch. Als es dann soweit fertig war und ich das Gefühl hatte, dass es sich ganz gut liest habe ich angefangen die einzelnen Bilder auszuarbeiten. Dies ist dann komplett am Computer geschehen.



Du hast die Wormworld Saga als Webcomic begonnen, den Du nach dem Konzept der unendlichen Leinwand/ infinite Canvas von Scott McCloud entwickelt hast. Was ist die Theorie von McCloud und wie hast Du sie umgesetzt?

Scott McCloud hat den Begriff „Infinite Canvas“ geprägt. Ich glaube die zentrale Idee dabei ist, dass wenn wir unsere Comics nicht mehr auf dem Papier abdrucken - wo wir eine feste Papiergröße haben oder wo ein Buch eine bestimmte Seitenanzahl vorgibt - also in dem Moment wo wir nicht mehr auf dem Papier mit den Comics erscheinen, sondern am Bildschirm, ist der Bildschirm quasi eine Art Fenster, durch das wir auf eine Leinwand sehen, die eigentlich unendlich groß ist.  Da sagt uns keiner mehr, wie groß eine Seite sein muss oder in welche Richtung wir weiter lesen müssen. Also die unendliche Leinwand ist nicht nur das Konzept von oben nach unten zu scrollen, sondern sie könnte ja auch bedeuten ein riesiges Bild zu haben, bei dem man sich in alle Richtungen bewegen kann. Ich habe also nur eine spezielle Form der unendlichen Leinwand angewendet.
Das interessante an dem Konzept ist sich zu fragen, wie man die Bewegung des Fensters über die unendliche Leinwand nutzen kann. In meinem Fall ist es so, dass man den Comic von oben nach unten durchscrollt.  Dadurch kann man Effekte verwenden, die sonst nur im Film zu finden sind. Beispielsweise so etwas wie eine Kamerafahrt, die von oben nach unten stattfindet.
Mein erstes Kapitel beginnt mit einem blauen Himmel, aus dem die Kamera herunterfährt.  Man sieht eine Stadt aus der Vogelperspektive, taucht in Baumgipfel ein. Die Kamera fährt immer tiefer und kommt an den Baumstämmen an. Dann sieht man den Vorhof von einer Grundschule. Das ist so nur auf dieser unendlichen Leinwand möglich, wenn man die Bewegung des scrollens ausnutzt. Und das ist einer der Punkte, die ich aus der Theorie verwende. Im Buch kann man es erahnen. Da wurde die Fahrt natürlich in verschiedene Seiten unterteilt und der Effekt ist nicht mehr so schön, wie am Bildschirm.



2011 hast Du mithilfe von Crowdfunding eine App für die Wormworld Saga entwickelt. Was sollte sie dem User bieten? Was war Dir besonders wichtig?

Die Überlegung war, was wäre, wenn die Wormworld-Saga kein Hobbyprojekt bleiben würde, wenn ich wirklich davon leben könnte? Ich habe mich natürlich auch gefragt ob es funktionieren würde, wenn der Comic weiterhin kostenlos im Internet steht, denn das wollte ich nicht ändern. Wie könnte ich es schaffen, dass die Leute trotzdem Geld für den Comic bezahlen? Damals kamen wir auf die Idee eine App zu machen, die kostenlos zur Verfügung steht aber zu der man sich, innerhalb der App, die Kapitel kaufen kann und zu jedem gekauften Kapitel Bonusmaterial erhält, das man sonst auf der normalen Seite nicht bekommt. Das sollte die App leisten. Ich konnte sie aber nicht selber entwickeln, das heißt ich musste mir jemand suchen, der sie entwickeln kann und der wollte natürlich Geld dafür haben. Die Fans hatten mit ihren Spenden ja schon gezeigt, dass sie das Projekt gerne unterstützen wollen und für die App haben wir dann eine Kickstarterkampagne aufgesetzt, die auch sehr erfolgreich gelaufen ist.



Wie ist es nach Webcomic und App zur Veröffentlichung des Printcomics gekommen? Hast Du nach einem Verlag gesucht oder hat Dich Tokyopop gefunden?

Ich hatte erst mal nicht vor ein Buch zu machen, weil ich immer davon ausgegangen war, dass wenn man ein Buch herausgeben will, auch selbst das Layout macht und sich um alle Sachen kümmern muss, die man für eine Buchproduktion braucht. Deshalb hatte ich das für mich selbst ausgeschlossen und wollte mich einfach auf meine digitale Version im Internet und der App beschränken. Dann haben sich aber von sich aus Verlage bei mir gemeldet und haben gefragt, ob ich bei ihnen ein Buch herausgeben möchte und dass sie mir vor allem die Arbeit abnehmen könnten, die ich damit hätte. Da wurde es für ich natürlich interessant.
Mir ist dabei aufgefallen, dass einer von meinen Spendern bei der Kickstarter-Kampagne, der mich mit einem großen Betrag unterstützt hatte, über eine E-Mail Adresse registriert war, die zu einem Comicverlag gehörte. Ich dachte mir,  wenn ich so einen tollen Fan bei einem Comicverlag habe, dann frage ich doch den, ob er vielleicht Interesse hätte, die Buchversion zu machen. Das hat dann letztendlich dazu geführt, dass ich mit Tokyopop einig geworden bin, weil sich der Verlagsleiter als richtig großer Fan herausgestellt hat. Vor allen Dingen hat er auch verstanden, wie wir dieses Projekt gemeinsam weiterführen können. Viele Verlage, die sich gemeldet hatten, waren einfach davon ausgegangen, dass die kostenlose Version aus dem Internet verschwindet, wenn das Buch erscheint.
Die dachten natürlich, warum Leute das Buch kaufen sollen, wenn sie es im Internet kostenlos bekommen können. Aber Tokyopop hat verstanden, dass wenn der Comic weiterhin im Internet steht, auch weiterhin mehr Menschen darauf aufmerksam werden und je mehr Leute von dem Comic wissen, desto mehr Leute sind  dann auch darunter, die ein Buch wollen.
Es hat sich auch herausgestellt, dass sehr viele Fans, die Wormworld schon im Internet gelesen hatten,  letztendlich so ein Buch haben wollten. Deshalb ist dieser Ansatz aufgegangen.
Viele Verlage ärgern sich darüber, dass ihre Bücher raubkopiert werden. Dieses Problem, haben wir nicht, da sich keiner die Mühe machen muss den Comic ins Internet zu stellen. Wenn man das Buch kauft, bekommt man auch Material, das man im Internet nicht bekommt.
Interessant für die Leute ist aber, glaube ich, dass sie ein Objekt aus Papier in der Hand haben, ein echtes reales Objekt, in das ich auch eine Unterschrift reinsetzen kann. Das mögen die Fans und das hat sich auch bei unserer letzten Kickstarter-Kampagne gezeigt, wo das Buch mit Abstand das beliebteste Objekt war, das die Leute als Geschenk haben wollten.



Im hinteren Teil des Comics, bzw. als Bonusmaterial der App gibst Du Einblick in die Entstehung des Comics. Dort sind neben den Skizzen zur Entwicklung der Charaktere u.a. auch Architekturskizzen von Gebäuden zu sehen? Wofür brauchst Du sie?


Ich brauche die Skizzen von der Architektur und von den Räumlichkeiten, weil ich wirklich versuche dass die Dinge im Comic alle existent sind. Wenn ich beispielsweise eine Dialogszene in der Küche habe und verschiedene Kameraansichten innerhalb dieser Küche zeigen möchte, dann sieht man einerseits den Protagonisten und hinter ihm die Fensterfront. Die andere Kameraansicht zeigt den Vater und hinter ihm sieht man dann vielleicht eine Tür und einen Küchenschrank. Ich wollte eben dass all diese Sachen immer Sinn machen und zusammenpassen, damit es keinen Continuity-Fehler gibt. Es ist mir extrem wichtig, wo sich im Haus welcher Raum befindet und wo ich hinkomme wenn ich durch die Türe gehe. Es gibt eine Szene im 2. Kapitel, in der der Vater von der Küche die Treppe hochgeht und dann an die Zimmertür von seinem Sohn klopft. Diese Wege, die die Figuren zurücklegen, sind mir wichtig. Sie sollen alle Sinn machen und nicht aus dem Zusammenhang gerissen sein. Es gibt einige Stellen, bei denen ich mir künstlerische Freiheiten nehme.
Der Dachboden auf dem sich Jonas bewegt und von dem aus er dann magischen Insekt folgt, ist, wenn man ihn sich genau ansieht, viel größer als er in so einem Haus eigentlich sein könnte. Das ist ein solcher Moment in dem ich darstellen möchte, wie es sich für Jonas anfühlt. Für ihn fühlt es sich der Dachboden wie ein riesiges, unübersichtliches Labyrinth an. Ich erinnere mich natürlich an meine Kindheit, in der ich selber gerne auf dem Dachboden von unserem Haus gespielt habe und das war für mich eine riesige Landschaft. Wenn ich heute meine Eltern besuchen gehe und mal wieder oben auf den Dachboden schaue, dann merke ich, dass er eigentlich klein war und übersichtlich. Das ist gar nicht so eine weite Welt, wie in meiner Vorstellung. Aber an dieser Stelle war es mir dann wichtig im Comic zu illustrieren, wie es sich für Jonas anfühlt und nicht so sehr wie es in der Realität ist.
Grundsätzlich ist es aber so, dass es mir sehr hilft, solche Lagepläne zu haben und die wird es auch für die ganze Geschichte immer wieder geben. Ich mache mir von Orten Skizzen damit ich weiß, wie sich die Figuren durch die Welt bewegen.



Als Printcomic sind bisher die ersten drei Kapitel der Wormworld-Saga erschienen. Als Webcomic gibt es bereits fünf Kapitel. Wie viele Kapitel planst Du noch?


Unendlich viele sicher nicht. Ich möchte irgendwann mal schon fertig werden.  Die Wormworld Saga ist als eine Trilogie angelegt. Jeder Teil dieser Trilogie hat nach meinem derzeitigen Stand so um die 20 Kapitel. Das heißt, am Ende sind es 60 Kapitel und das ist natürlich schon eine ganz schöne Latte. Wenn man sich überlegt, dass ich im Idealfall 3 Kapitel pro Jahr schaffe, dann kann man sich ausrechnen wie lang ich da dran sitzen werde, um die Geschichte zu Ende zu erzählen.
Im Moment ist für mich das große Ziel, dass ich den ersten Teil dieser Trilogie fertig bekomme und da bin ich momentan quasi bei Kapitel fünf. So ungefähr 15 Kapitel muss ich also noch machen. Das ist schon viel, aber man kann sich immerhin fast schon vorstellen, dass der erste Teil irgendwann mal abgeschlossen sein kann.
Ich habe bei den letzten Kapiteln versucht herauszufinden, wie lang ich brauche sie abzuschließen. Zuerst hatte ich gedacht, dass ich drei Monate für ein Kapitel brauche. Also hätte ich dann vier Kapitel im Jahr geschafft. Allerdings hat es sich jetzt herausgestellt, dass ich eher vier Monate für ein Kapitel benötige und das bedeutet, dass ich mit zirka drei Kapiteln im Jahr rechnen kann. Ich mache mir aber keinen Druck, dass ich meinen ersten Teil der Trilogie zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig haben muss. Ich plane immer das nächste Kapitel, setze mir ein Ziel, wann ich es fertig haben möchte und daran versuche ich mich zu halten. Das klappt auch nicht immer, weil Sachen dazwischen kommen, aber normalerweise verschätze ich mich höchstens um ein paar Wochen.



Wormworld Saga Crowdfunding
New Media Lecture
Samstag, 13. Juli 2013, 16.00 Uhr
Daniel Lieske
Ort: Großer Saal

Wormworld Saga Speedpainting
Sonntag, 14. Juli 2013, 14.00 Uhr
Daniel Lieske
Ort: Großer Saal