DER STAUB DER AHNEN - Felix Pestemer im Interview

Die bereits  in mehreren Museen (u.a. Museum für Sepulkralkultur, Kassel) gezeigte Ausstellung DER STAUB DER AHNEN zeigt eine Auswahl an Originalgrafiken aus der gleichnamigen Graphic Novel von Felix Pestemer. Der Berliner Künstler gibt darin Einblick in die Bräuche und Traditionen am mexikanischen Tag der Toten (Día de los Muertos)  und stellt eine Kultur vor, in der der Tod kein Tabu ist, sondern einen festen Platz im Alltag hat, eine Kultur, die den Tod feiert und Skelette zum Tanzen bringt. Ergänzt wird das Making of von Pestemers Graphic Novel von einem Vortrag zum Día de los Muertos  von Maike Sander (MEINLEBENLANG).


Welche Rituale zelebriert man am Día de los Muertos?

Ganz wichtig ist, dass Altäre für die Toten errichtet werden. Für die Toten heißt dabei in erster Linie für die Familienangehörigen oder die engen Freunde, also Personen die sich im Leben sehr nahe standen. Dann ist es auch sehr wichtig, dass auf dem Friedhof gefeiert wird. Es wird also nicht nur der  Friedhof besucht, sondern es wird dort wirklich gefeiert. Das kann dann verschieden aussehen. In manchen Regionen wachen Familie und Freunde die ganze Nacht am Grab. Woanders gibt es richtig heftige Party mit Besäufnis, Böllern und sehr viel Action. In den Großstädten und im Norden des Landes sind die Traditionen nicht mehr so stark wie im indigenen Süden. Es kann aber schon sein, dass sie dort ein Keyboard mit einer fetten Anlage anfahren und einen Elektrogrill und Partybeleuchtung mitbringen. An anderen Orten geht es besinnlicher zu: Die Gräber werden mit üppigem Blumenschmuck dekoriert und es gibt ein Picknick mit der Familie. Ich hab es aber schon erlebt, dass sich die Leute in der Nacht  beinahe auf die Füße getrampelt sind und es wirklich laut zugegangen ist. Ganz am Anfang des Buches gibt es eine Studie von einem Moment, den ich damals zeichnerisch aufgefangen habe, weil es nicht angebracht gewesen wäre, wenn ich das fotografiert hätte: Da war ein betrunkener Typ auf einem frischen Grab zusammengebrochen und murmelte in die offene Erde hinein. Ich weiß nicht, ob er gelitten hat oder einfach betrunken zusammen gebrochen ist - oder eine Mischung aus beidem.
 

Wie gehen die Südamerikaner mit dem Tod um?

Die Südamerikaner? Da nimmst du etwas ganz wichtiges vorweg: In der gesamten lateinamerikanischen Literatur gibt es den Magischen Realismus, bei dem die Toten eine ganz andere Präsenz haben als bei uns. Selbst bei klassischen Geistergeschichten haben sie dabei weniger einen gruseligen Charakter als eine Art selbstverständlicher Präsenz im Alltag der Lebenden. Das heißt, sie haben die Lebenden noch nicht verlassen. Meine Interpretation – auch in meiner Graphic Novel 'Der Staub der Ahnen' - ist, dass die Lebenden die Toten noch gekannt haben und dass sie so in ihrer Erinnerung weiterleben können.


Deine Geschichte ist zum Teil sehr ironisch. Machst du dich über den Tod lustig?

Ja vielleicht. Also erst mal nutze ich die Möglichkeit, die mir das detailreiche Zeichnen bietet. Da ich sehr erzählerisch zeichne und das Buch ursprünglich auch ganz ohne Text konzipiert war, ist Text manchmal nicht wirklich nötig, weil die Erzählung schon durch die Bilder funktioniert. So hatte ich die Möglichkeit, dass Text und Bild bei meinem „illustrierten Briefroman“ zum Teil auseinander gehen. Im Text wird zum Beispiel etwas subjektives oder spekulatives wiedergegeben, wogegen die Bilder erzählen, wie es wirklich gewesen ist. Damit kann man natürlich alle möglichen Spielchen treiben. Manchmal ist das vielleicht etwas schwer zu rezipieren und man muss sich dann wirklich Zeit nehmen um die Geschichte zu „lesen“. Aber dieses Konzept hat mir auf jeden Fall sehr ironische Szenen ermöglicht, die obendrein noch Spielraum für Interpretationen geben. Und dass ich mich über den Tod lustig mache? Auf jeden Fall! Ich versuche es zumindest. Die Mexikaner machen das ja auch.


In „Der Staub der Ahnen“ existiert neben unserer Welt noch eine Parallelwelt, in der die Toten leben. Doch selbst dort können sie nicht bis in alle Ewigkeit bleiben, sondern lösen sich nach einiger Zeit auf. Wie kommt es dazu?

Da muss man einen Unterschied machen zwischen meinen Vorstellungen bzw. dem was ich persönlich denke und zu der Idee, wie sie sich jetzt in der Erzählung niederschlägt. Im Buch ist es so, dass die Toten weiter existieren, solange ihrer gedacht wird, also solange es unter den Lebenden noch jemanden gibt, der an sie denkt oder in seinen Gedanken mit sich trägt. In dem Moment, in dem dieses Gedenken nicht mehr vorhanden ist - wie im Falle des alten Maskenschnitzers, dessen verstaubtes Museum mitsamt seinem Gesamtwerk und dem Museumswärter abbrennt -, zerfallen auch die Toten im Jenseits zu Staub. So habe ich das im Buch konsequent durchgezogen.


Und wo sind sie dann danach?

Eben! Diese philosophische Variante bin ich dann nicht mehr angegangen. Ich bin nur dieses Minimalkonzept gefahren. Wo sie danach sind? Tja, wo auch immer. Den Tod als definitives Ende habe ich damit nicht ausgeräumt, sondern erstmal nur ein Leben weiter geschoben. Das ist letztlich nur ein Aufschub in meinem Buch. Der Fokus liegt bei mir auf einer Reflexion über Gedenken und Erinnerung aus der Warte von uns Lebenden


Deine Bilder wirken wie Gemälde. Egal wo man hinschaut, findet man ein neues Detail. Wie hast du die Bilder hergestellt?

Meine Bilder sind auch dementsprechend groß, damit ich alle Details unterbringe kann. Es ist alles handgemacht. Ich bin nicht so ein computerbegabter Mensch, sondern eher ein Analoger. Grundlage der großformatigen Zeichnungen war immer eine Bleistiftzeichnung, die ich zum Teil tusche, zum Teil mit Aquarell, Gouache, mit Kohle und mit Buntstiften ausarbeite. Das sind verschiedene Mischtechniken. Es gibt drei bis vier verschiedene  Qualitäten von Seiten bzw. von Panels und Illustrationen. Farbige und schwarz-weiße - das variiert. Die schwarz-weißen Zeichnungen sind etwa 30x40 cm, die farbigen von 35x50 bis zu 50x70 cm im Original. Deshalb funktioniert das Ganze auch ganz gut in Ausstellungsform.  Für den Comic hab ich alle Bilder scannen lassen.


Weitere Informationen zu Felix Pestemer: www.puttbill.com

Ausstellung, Día de los Muertos  Vortrag, Making of der Graphic Novel
DER STAUB DER AHNEN
Freitag, 12. Juli 2013, 20.00 Uhr
Felix Pestemer, Maike Sander
Ort: Konferenzzimmer, Großer Saal