Nina Blazon Interview

Nina Blazon, geboren 1969 in Koper bei Triest, aufgewachsen in Neu-Ulm, las schon als Jugendliche mit Begeisterung Fantasy-Literatur. Selbst zu schreiben begann sie während ihres Germanistik-Studiums, Theaterstücke und Kurzgeschichten - bevor sie den Fantasy-Jugendroman Im Bann des Fluchträgers schrieb, der 2003 mit dem Wolfgang-Hohlbein-Preis und 2004 mit dem Deutschen Phantastik-Preis ausgezeichnet wurde. Seither haben Nina Blazons Bücher zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Die erfolgreiche Jugendbuchautorin lebt in Stuttgart.

Was macht für sie den Reiz am Schreiben von Fantasy-Literatur aus?

Die Welten, die Magie und vor allem die vielen Lesarten: von reiner Unterhaltung bis hin zum symbolisch verfremdeten Spiegelbild des eigenen Lebens. Die Möglichkeit, hinter der bunten Maske Antworten für den eigenen Alltag zu entdecken. Denn im Grunde geht es ja gerade in der Fantasy um eine modellhaft scharfe Zeichnung der klassischen Fragen: Dunkel und Hell, Liebe und Hass, Verlust, Herausforderung, Freundschaft und Feindschaft.

Auf was müssen Jugendbuchautoren im Gegensatz zu Erwachsenenbuchautoren beim Schreiben besonders achten?

Bei dieser Frage gehen die Meinungen auch unter Jugendbuchkollegen oft auseinander. Ich persönlich achte darauf, dass es nicht allzu gewalttätig wird, und auch die Verbindung von Sexualität und Gewalt fände ich in einem Jugendbuch problematisch. Worauf ich Wert lege: Selbst wenn den Figuren etwas Schlimmes zustößt, versuche ich immer eine Botschaft mitschwingen zu lassen, die man mit „Du hast eine Handlungsmöglichkeit, du bist nicht völlig hilflos“ beschreiben könnte. Ein ganz und gar hoffnungsloses Ende geht nicht. Selbst wenn es kein Happy End gibt und der Hauptperson schreckliche Dinge zustoßen, versuche ich immer zu zeigen, dass die Figur immer noch eine Stärke besitzt, die aus ihr selbst kommt.

Figurenentwicklung ist ihnen besonders wichtig. Wie gehen sie dabei vor?

Erst einmal sehe ich eine Figur vor mir, Gesicht, Haarfarbe, Statur, zwei, drei Eigenschaften. Dann entwerfe ich auf dem Papier eine Biographie à la „was bisher geschah“ und suche nach den dunklen Seiten. Wo sitzt die größte Angst? Die Schwäche? Die scharfe Bruchkante im Charakter, der blinde Fleck? Wer oder was wäre der schlimmste sein Feind dieser Figur? Mit dieser Ausstattung schicke ich sie auf die Reise – mitten durch ihre Ängste, denn nur so kann sie innerlich wachsen.

Was hat sie zur Geschichte von Zweilicht inspiriert?

Das Sachbuch "Die Welt ohne uns" von Alan Weisman. Der Wissenschaftler zeigt darin auf, was mit der Welt geschehen würde, wenn die Menschen von einem Tag auf den anderen verschwinden würden. Welche Tierarten würden aussterben? (In New York: Hunde und ... Kakerlaken!) Welche sich mühelos anpassen (Katzen) oder in die Städte einwandern? (New-York: Kojoten, Wölfe, Bären und Elche aus Kanada.) Zeitweise liest es sich wie ein düsterer Science-Fiction-Krimi. Das Gedankenspiel der plötzlich menschenleeren Welt hat mir gefallen. Daraus entstand die Grundidee zu Zweilicht – verbunden mit der Frage „Wie wirklich ist die Wirklichkeit, die wir sehen?“

Es gibt sehr viele Fantasy-Romane auf dem Markt. Was machen sie um sich von anderen Schriftstellern abzuheben?

Im Grunde versuche ich einfach nur, bei jeder Geschichte etwas Neues, Spezielles zu finden, eine ungewöhnliche Perspektive, einen besonderen Dreh, der auch das Schreiben spannend macht. Man kann zum Beispiel eine konventionelle Katzenmenschen-Geschichte schreiben – oder man dreht das Ganze um und macht „Menschenkatzen“ daraus – Leute, die sich nicht äußerlich in Katzen verwandeln, sondern den Dschungel, die Jagdinstinkte und Sozialverhalten von Raubkatzen in sich tragen und unerkannt mitten unter uns leben und jagen. Viele Leser lieben solche Twists.

Welche Fantastik-Bücher lesen Sie besonders gerne? Wie gefällt Ihnen George R.R. Martins „Das Lied von Eis und Feuer“?

Ich bin ein großer Fan von George R. R. Martins Saga. Großartige, vielschichtige Charaktere! Außerdem liebe ich Bücher wie „Die Fuchsfrau“ von Kij Johnson und „Die Stadt der Heiligen und Verrückten“ von Jeff VanderMeer. (Ach ja, und Artemis Fowl ist auch grandios!)


Jugendbuch Lesung (ab 14 Jahre) und Gespräch
Sonntag, 8. Juli, 15.00 – 16.00 Uhr
Ort: Literaturhaus Stuttgart – Saal 1 und 2
Eintritt: € 7,-/5,-/3,50