Bernd Perplies im Interview

Bernd Perplies, geboren 1977 in Wiesbaden, studierte Filmwissenschaft, Germanistik, Buchwissenschaft und Psychologie in Mainz. Parallel zu einer Anstellung beim Deutschen Filminstitut (DIF) in Frankfurt am Main, wandte er sich nach dem Studium dem professionellen Schreiben zu. Heute ist er als Schriftsteller, Übersetzer und Journalist tätig. Er ist Redakteur der Website Ringbote.de sowie des Corona Magazine und gehört zum Übersetzungsteam der Star Trek-Romane von Cross Cult.

Im August 2008 kam sein Debütroman Tarean - Sohn des Fluchbringers auf den Markt, weitere Werke folgten. Zuletzt ist von ihm die Steampunk-Trilogie Magierdämmerung erschienen. Bernd Perplies lebt in Wiesbaden, zusammen mit etwa 1000 Büchern und einer einzelnen tapferen Grünpflanze.

Inwieweit hat Deine Arbeit beim Deutschen Filminstitut, als Redakteur für die Zeitschrift „Space View“ und als Übersetzer für verschiedene Verlage Einfluss darauf genommen selber Bücher zu schreiben?

Ehrlich gesagt hat nichts davon meine Entscheidung, Bücher zu schreiben, beeinflusst, weil ich schon lange Geschichten verfasst habe, bevor diese drei Berufe – Webredakteur, Journalist und Übersetzer – Teil meines Lebens wurden. Meine Liebe zum Schreiben entdeckte ich bereits in der Grundschule, wo ich, kaum dass ich das Alphabet beherrschte, bereits Deutschklausuren überzog, in denen man kreativ schreiben musste, weil ich einfach nicht den Füllfederhalter aus der Hand legen konnte. Das Verfassen von Kurzgeschichten und das Entwickeln eigener Pen-und-Paper-Rollenspiel-Systeme zusammen mit Freunden befeuerten sowohl meine Begeisterung für die Phantastik als auch fürs Erzählen.

Mein Studium der Filmwissenschaft und Germanistik hat mich dann zwischenzeitlich in die Ecke des Journalismus abdriften lassen, sodass ich Filmkritiken und Buchrezensionen verfasst habe, Artikel für Magazine wie die „Space View“ und von da aus auch Übersetzungen von Büchern und Spielen. Den einzigen Einfluss, den ich aus dieser Phase vielleicht geltend machen würde, wäre der, dass ich in diesen Jahren einen Einblick in die Verlagsszene bekam und begriff, dass und wie man als kreativer Schreiber sein Geld verdienen kann. Das mag mir den Mut gegeben haben, mich an ein lange vergessenes und verschobenes Herzensprojekt zu wagen: das erste eigene Buch.

Seit Ende 2011 ist die Magierdämmerung Trilogie abgeschlossen. Kannst Du kurz umreißen worum es geht?

Die „Magierdämmerung“ spielt im viktorianischen Zeitalter, genauer gesagt im London des Jahres 1897, wobei sich die Geschichte später auf andere Schauplätze und Länder ausweitet. Den Rahmen bildet ein Kampf zweier im Geheimen lebender Magierfraktionen um eine unglaublich starke Magiequelle, die mitten im Atlantik aufgetaucht ist. Die Geschichte beginnt, als der Journalist Jonathan Kentham durch einen Zufall in diese Welt der Magie gerät. Eines Nachts findet er in einer Gasse einen sterbenden alten Mann, der ihm einen Ring vermacht. Im Laufe der nächsten Tage muss Jonathan feststellen, dass sich seine Welt zu verändern beginnt. Er entwickelt Gaben, die er zuvor nicht hatte, trifft einige erstaunliche Menschen (und Nichtmenschen) und wird über den Todesfall in einen Konflikt hineingezogen, dessen Ausgang buchstäblich die Welt verändern könnte.

Wie bist Du auf die Idee zur Geschichte von „Magierdämmerung“ gekommen?

Es begab sich, wenn ich mich recht entsinne, bereits im Herbst 2007, während mein Debütroman „Tarean – Sohn des Fluchbringers“ fertig geschrieben bei den Verlagen die Runde machte, dass mich meine Agentin fragte, ob ich neben der klassischen Fantasy gerne auch in anderen Teilen der Phantastik tätig werden würde. „Ja, natürlich“, lautete meine Antwort. Tatsächlich hätte ich nach den „Tarean“-Romanen, die zur High Fantasy zählen, ohnehin das Genre wechseln wollen, denn es reizt mich nicht, mich in bestimmten Bahnen festzuschreiben. Ich liebe die Abwechslung. Als es daran ging, ein Konzept auszuarbeiten, entschied ich mich sehr bald für das viktorianische Zeitalter als Setting, denn ich mag all die Geschichten des ausgehenden 19. Jahrhunderts, von „Krieg der Welten“ über „Sherlock Holmes“ bis „20.000 Meilen unter dem Meer“. Darüber hinaus wollte ich unbedingt mal mit diesen literarischen Stoffen spielen, etwa in der Art, wie es auch Alan Moore in „The League of Extraordinary Gentlemen“ gemacht hat. Letzten Endes ist eine Geschichte daraus entstanden, in der Magie auf fantastische Technik trifft und feine Ladies und Gentlemen wilde Abenteuer erleben.

Zur Zeit wird viel unter dem Label Steampunk veröffentlicht. Auch „Magierdämmerung“ gehört dazu. Welche typischen Steampunk-Elemente finden sich in Deinem Roman?

Das mit dem Label ist schön gesagt. In der Tat heften viele Verlage einer Gruppe von Romanen, die sehr lose eine Reihe Motive teilen, diesen Begriff an, um sie dem Markt zu erklären und damit schmackhaft zu machen. Eigentlich hatte ich gar nicht explizit vor, einen Steampunk-Roman mit seinen technologischen Wundern im Retrodesign und seinen sinistren oder visionären Wissenschaftlern zu verfassen. Das viktorianische Setting, das Spiel mit literarischen Figuren und ein in meinen Augen recht ungewöhnliches Magiesystem waren die drei Dinge, die mich an „Magierdämmerung“ interessiert haben, wobei das Setting und das Spiel mit literarischen Figuren durchaus typische Elemente von Steampunk-Romanen sind. Selbstverständlich gibt es in der Geschichte auch diverse technologische Wunderwerke. Beispielsweise hat ein superreicher Industrieller namens Charles Gordon Bennett aufgrund seiner Vorliebe für die Geschichten von Jules Verne in jahrelanger Arbeit ein Tauchboot, die Nautilus, konstruiert, die auch das Cover des ersten Romans ziert. Wie man auf den Covern von Band zwei und drei sehen kann, kommen auch mindestens ein Zeppelin und ein technisch verbessertes Kriegsschiff vor. Allerdings existieren keine allmächtigen Rechenmaschinen, keine Automatenmenschen, keine Ätherraumschiffe. Das wäre mir – so kurios das klingen mag – doch etwas zu fantastisch für die Art von Geschichte, die ich erzählen wollte, gewesen.

Wie ging es dann weiter? Hast Du eine Struktur geschaffen und drei Bände geplant oder einfach drauflos geschrieben?

Ich habe zunächst einen dicken Roman von vielleicht 700 Seiten geplant. Der Verlag wünschte sich jedoch eine Trilogie, weswegen ich zurück ans Reißbrett ging und die Geschichte größer machte, um Inhalt für drei Romane zu haben, die letzten Endes nun knapp 1400 Seiten umfassen. Das heißt: Ja, ich wusste, wie es losgeht, was in der Mitte geschieht und wie das Ende aussieht. Allerdings habe ich mir die Details offengehalten, um die Freiheit zu haben, mich auch mal vom Fluss der Geschichte davontragen zu lassen. So wurde mancher Nebencharakter im Laufe der Seiten wichtiger, als es ursprünglich geplant war, aber das macht nichts, das machte die Figuren für die Leser nur lebendiger. Auch die konkrete Umsetzung mancher Szenen habe ich bis zum Prozess des Schreibens offen gehalten. So mag im Kapitelplan nur gestanden haben: „In einer Luftschlacht wird der Zeppelin schwer beschädigt.“ Was dann aber genau passierte, habe ich spontan entschieden.

Zusammen mit Christian Humberg schreibst Du auch an der Kinderbuchreihe Drachengasse 13. Wie ist es dazu gekommen? Wie unterscheidet sich die Arbeit an einem Buch für Kinder von Deiner bisherigen Arbeit?

Christian und ich kennen uns bereits aus gemeinsamen Studientagen an der Mainzer Universität und schreiben schon seit Jahren im Doppelpack. Unsere ersten Gemeinschaftsproduktionen waren Zeitschriftenartikel und Kolumnen, vor allem für die „SpaceView“. Danach wagten wir uns mit „Das schleichende Grauen“, einem bei Pegasus Spiele erschienen Abenteuerspielbuch aus Wolfgang Hohlbeins „Hexer von Salem“-Serie, an die Belletristik und merkten, dass wir auch da gut als Team arbeiteten. Schon kurz nach dem „Grauen“ dachten wir deshalb über weitere gemeinsame Belletristikprojekte nach und kamen ziemlich schnell auf die Idee, dass sich unser Wunsch, regelmäßig gemeinsam zu schreiben und unserer blühenden Fantasie dabei freien Lauf zu lassen, am besten mit einer Kinderbuchserie verwirklichen ließe. Daraus erwuchs das Konzept, eine Art „TKKG“ oder „Fünf Freunde“ in einer unglaublich bunten Fantasy-Stadt zu entwickeln: „Drachengasse 13“.

Große Unterschiede im Schaffensprozess sehe ich dabei eigentlich keine. Kinder wollen, genau wie Erwachsene, spannend unterhalten werden, das heißt man sollte auch hier seine Figuren und seine Handlung gut durchdenken. Natürlich darf man sich nicht in zu verworrene Plotkonstruktionen verlieren. Humor und Action dürfen gerne im Vordergrund stehen. Und selbstverständlich erfordert eine Reihe wie „Drachengasse 13“ nicht so viel Recherchearbeit wie es bei der „Magierdämmerung“ der Fall war – das allerdings liegt weniger am Zielpublikum als am Genre. High Fantasy gibt einem als Autor einfach mehr dichterische Freiheit als eine Geschichte, die in unserer Realität verankert ist.

Was planst Du als nächstes?

Gegenwärtig schreibe ich eine Trilogie für Egmont-LYX, die im Hardcover erscheinen soll und uns in eine düstere Zukunft entführt. Nach einer globalen Katastrophe wurde die menschliche Zivilisation vielleicht nicht direkt in die Steinzeit geworfen, aber doch in eine Lebenswirklichkeit, in der ein von Entbehrungen geprägtes Dasein auf diktatorisch religiösen Fanatismus treffen. Die Welt ist aus unserer Sicht rückständig und (in Teilen) futuristisch zugleich. Im Zentrum der Geschichte steht ein junges Mädchen namens Carya (das Buch richtet sich, ähnlich wie „Tarean“, im Wesentlichen an eine jugendliche Leserschaft), das einer Freundin helfen will, deren Bekannter von der Inquisition gefangen genommen wurde. Dabei gerät sie zwangsläufig mit dem Gesetz in Konflikt und muss daraufhin fliehen. Gemeinsam mit einem jungen Templersoldaten, der eigentlich ihr Feind ist, aber Dank Carya seine bisherige Lebensweise zu hinterfragen beginnt, steht sie vor der Herausforderung, sich durchzuschlagen. Natürlich wird das Ganze noch ein wenig komplizierter, aber wer mehr wissen möchte, muss sich noch ein wenig gedulden. Der erste Band trägt den Titel „Flammen über Arcadion“ und erscheint im September.

Interview: Tobias Wengert

Schwerpunkt Steampunk
Sonntag, 8. Juli, 16.00 – 19.00 Uhr (Magierdämmerung, Steam Noir & Steampunk Panel)
Eintritt: € 9,-/7,-/4,50
Ort: Literaturhaus Stuttgart ¬– Großer Saal