Alan Lee bringt Mittelerde nach Stuttgart: der Blogartikel zum Dragon Days Samstag

Turmforum: die deutsche Crossmedia-Elite trifft ein

Der Festivalsamstag hat hohe Ansprüche: die Creme de la Creme der deutschen und internationalen Fantastik tritt in Stuttgart an. Für den frühen Nachmittag bedeutet das, dass Christian von Aster, Luci van Org, und Felix Mertikat ins Turmforum kommen. Die Crossmedia Lesungen beginnen… nicht allzu pünktlich mit Christian von Aster, denn irgendwie fehlen die Bücher und der Zeitdruck steigt. Der Verleger und der Festivalleiter waren mal da, sind wieder weg, wollten kommen mit Kisten voller Bücher… hmmm… Gut, dass Herr von Aster so ein Macher ist und beschließt, anzufangen. Auch gut, dass Herr von Aster publiziert wie verrückt und deswegen Gedichte und Kurzgeschichten scheinbar aus dem Hut zaubern kann um die Zeit zu überbrücken, mit dem typisch beißenden und rhetorisch wertvollen Christian-von-Aster-Humor. Als schließlich die Bücher samt vermisster Menschen eintreffen, und der Verleger vorgestellt wird („Seine Störenfriedpauschale ist höher als seine Verlegerpauschale, aber er hat mich mit einem wunderbaren Illustrator bekanntgemacht und dafür gebührt ihm Applaus“), geht es endlich los mit der Premiere des wunderbaren „Horrk und Grablakk – eine Orkgeschichte in sieben Schandtaten“ vor vollem Haus. Die Signierwunschschlange im Anschluss zeigt, wie gut diese Max und Moritz Hommage ankam.

Bei Luci van Orgs Auftritt wird es dann ganz still, niemand will auch nur einen Ton dieser wundervollen Stimme verpassen… und Luci enttäuscht nicht, sondern schleudert vom ersten Akkord auf der Gitarre Emotion, Können und Kreativität in den Raum. Wow! Die crossmedia Künstlerin gibt Einblick in Ihre Werke „Schneewittchen und die Kunst des Tötens“ und „Frau Hölle“, und erzählt von ihren Inspirationsquellen aus der heidnischen Götterwelt. Zwischendurch singt sie Lieder und spielt dazu Gitarre, und die Gänsehaut will nicht weichen bei Songs von ihrer Band Übermutter, aber auch Covern wie ‚Hallelulja‘ und neuen Liedern aus ihrer Feder. Fast nicht zu glauben, wie laut Luci ihre Stimme hochschrauben kann, wie leise sie im nächsten Moment hauchen kann, und wie viele Oktaven sie dabei fast spielerisch abhakt. Das Publikum ist beeindruckt, und Luci wird im Anschluss frenetisch gefeiert.

Felix Mertikats Präsentation verlief dann auf etwas ruhigere Art, dafür aber umso bunter. Der Ludwigsburger Künstler ist dem Publikum vor allem durch Comics wie ‚Jakob‘ und ‚Steam Noir‘ bekannt, und gilt seit langem als große Nachwuchshoffnung des deutschen Graphic Novel. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb hat Felix vor zwei Jahren den Ludwigsbuger Spieleverlag King Racoon Games gegründet, und publiziert seine eigenen Brett- und Kartenspiele. Der Kunst bleibt er erhalten durch die liebevollen Illustrationen der Spielmaterialien und der kreativen, crossmedialen Hintergrundgeschichte: in „Tsukuyumi – Full Moon Down“, dem neuen Brettspiel das gerade in der Mache ist, ist der Mond auf die Erde gefallen und enthüllt einen riesigen, weißen Drachen, der in seinem Inneren schläft. Die Präsenz des Drachens Tsukuyumi verändert die Erdenbewohner, und ein brutaler Krieg um die Herrschaft über die zerstörte Erde entbrennt. Dazu gibt es viel Wortwitz, und ach ja, Cthulu mischt auch noch irgendwie mit. Das Publikum grinst vor sich hin und staunt ob der großen Namen, die bei Tsukuyumi mitarbeiten und die Comics für die Hintergrundgeschichten schreiben: Bernhard Hennen, Andrea Bottlinger, Verena Klinke, Bernd Perplies… „Tsukuyumi – Full Moon Down“ und King Racoon Games sind definitiv Namen, die man sich merken sollte. Obwohl die Uhr schon bedrohlich nah auf ‚Preisverleihung!‘ steht, wird nach Felix‘ Vortrag eifrig im Turmforum geschwatzt, Skizzenbücher präsentiert, und Karten ausgetauscht. So muss das sein.

 

Rainer Strecker liest Derek Landys „Demon Road“: Flucht vor Dämonen ohne Zeitgefühl

Die Stühle stehen bereit, das Mikrophon ist getestet und das Publikum wartet gespannt. Dann schiebt sich ein äußerlich unscheinbarer Mann in einer Wetterjacke durch die Menge. Rainer Strecker ist da, lächelt gewinnend in die Menge. Dann setzt er sich und grüßt routiniert. Er macht noch einen Witz zur Auflockerung und beginnt dann von seinem Tablett zu lesen. Er liest aus Derek Landys „Demon Road“ und das Buchhaus Wittwer, die Zuhörer und selbst Herr Strecker verschwimmen vor den Augen. Die Fantasie in den Köpfen der Zuhörer überlagert die schnöde Realität. Und plötzlich steht man mit Amber Lamont in einem amerikanischen Diner, wird von zwei schmierigen Typen verfolgt und muss vor ihren Eltern flüchten, die offenbar drauf und dran sind, sie umzubringen.

Mit jeder Zeile erwacht Derek Landys Welt mehr und mehr zum Leben. Die Zuschauer erschrecken, lachen, sind gespannt und verblüfft und ab und zu gruseln sie sich auch. Mit seiner virtuosen Stimminterpretation zieht Rainer Strecker die Zuhörerschaft voll und ganz in seinen Bann und schafft es gleichzeitig mitreißend, spannend, amüsant aber auch kurzweilig jede Figur zum Leben zu erwecken. Das Publikum wächst sogar noch, denn selbst Besucher, die eigentlich auf den Aufzug warten, können sich seiner Interpretation nicht entziehen und lassen, während sie begeistert zuhören, einen Lift nach dem Anderen ziehen.

Als Rainer Strecker aufsieht und aufhört zu lesen, geht ein Raunen durch die Reihen. Er selbst scheint so viel Spaß an dem Roman und der guten Stimmung zu haben, dass er großzügig anbietet, noch etwas weiter zu lesen und das Publikum ist begeistert. Doch auch diese Zugabe vergeht viel zu schnell und eh man es sich versieht, sind fast eineinhalb Stunden vergangen. Etwas bedauernd, dass man so nicht den gesamten Roman genießen kann, bedankt sich die Menge überschwänglich mit Applaus. Einige Fans lassen sich Bücher oder auch Bilder von Herrn Strecker signieren, der sich gern die Zeit nimmt, mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Der Abend ist ein voller Erfolg und macht definitiv Lust auf mehr!

 

Preisverleihung: die beste Fantastikfilmtrilogie trifft auf die... andere beste Fantastikfilmtrilogie

 

Darth Vader mit Morgenstern Gedichtbänden, Gedichte aus dem Bus, Alan Lee mit dem Lindwurm und nicht zuletzt Gollum im Schlafzimmer. All diese Eindrücke konnte man gestern im Mozartsaal der Liederhalle gewinnen. Aber von Anfang an…

Es ist ein ereignisreicher Abend in der Liederhalle. Die 501st Legion der German Garrison marschiert in den Saal ein und liefert den begeisterten Fans eine Star Wars Show extraordinaire. In voller Montur zeigen die Stormtrooper und Sandleute was sie können. Man denkt an nichts Böses und eilt an den Platz, da stellt sich auf einmal ein riesiger Darth Vader in den Weg und … und man lächelt nett und nimmt langsam aber sicher mit ein paar Trippelschrittchen reißaus. Haben Sie schon mal gesehen was der mit nur einer Handbewegung anrichten kann, wenn er sauer ist?!

Gefolgt wird dieses Ereignis von einem Battle Royal mehrerer Slampoeten, moderiert und bestritten von Nikita Gorbunov, der natürlich erst standesgemäß Lord Commander Vader im Saal begrüßt. Nik Salsflausen und Valerio Moser, beides ausgezeichnete Slampoeten, verausgaben sich erst mit Versen die sich auf Star Wars beziehen, und beeindrucken die Zuschauer danach auch mit Raps und Lyrik über den öffentlichen Nahverkehr und Improvisationen zu Semmelknödeln und Gollum. Gleichzeitig zaubern der Star Wars Zeichner Ingo Römling und die Illustratoren Artur Fast und Abdel Amör in Lichtgeschwindigkeit faszinierende Kunstwerke aufs Papier, denen man auf der großen Leinwand beim Entstehen zusehen kann.

Imperialer Übergriff, es musste ja so kommen: ein Mitglied der 501st Legion betritt die Bühne und bittet Ingo nach vorne… bittet Ingo nach vorne… INGO! Genau, du! Ein sichtlich irritierter und unvorbereiteter Ingo Römling stolpert aus der Zeichnerzone nach vorne. Völlig Überrascht nimmt er eine Urkunde entgegen: Ingo Römling ist Ehrenmitglied der 501st Legion geworden!

Dann beginnt der zweite Teil des Abends, Moderator Steffen Volkmer betritt die Bühne und kündigt die Verleihung der Dragon Days Trophäe an: Alan Lee, Tolkiens Illustrator und Oscar prämierter Art Director für die Hobbit und Herr der Ringe Trilogien, bekommt den schwäbischen Lindwurm. Dass er es verdient hat, erklärt Tobias Eckrich von der Deutschen Tolkien Gesellschaft in seiner Laudatio. Nach einer kurzen Einführung und einem Interview, in dem der weltberühmte Künstler und Filmillustrator jede Frage zu den Oscars, Herr der Ringe und der Kooperation mit anderen Künstlern mit typisch englischem Humor und der einmaligen Haltung eines wahren Gentleman nonchalant beantwortet, folgt seine ausführliche und mit vielen einmaligen und beeindruckenden Beispielen untermalte Präsentation seines Wirkens rund um den Herrn der Ringe und den Hobbit. Länger als eine Stunde nimmt der Künstler sich Zeit und führt durch sein Werk. Dafür erntet er frenetischen Applaus und Jubel. Dann ist es soweit. Die diesjährige Verleihung des schwäbischen Lindwurms wird vollzogen. Dem Künstler, der wohl wie kein anderer die Fantasie und Vorstellungskraft von Generationen von Fantasyfans beflügelt hat, wird die kleine bronzene Drachenfigur feierlich von Luci van Org überreicht. Sichtlich gerührt und bescheiden nimmt er diese entgegen und meint verschmitzt, dass sie ja genauso viel wiege wie der Academy Award.

Doch als letztes Highlight dieser epischen Veranstaltung, die sich anschickt gleich zwei epischen Werken aus Literatur und Kino nicht zuletzt in ihrer Länge gerecht zu werden, tritt Andreas Fröhlich, seines Zeichens Synchronsprecher von Edward Norton und John Cusack, auf. Die deutsche Stimme von Gollum begeistert das gespannte Publikum der Liederhalle mit seiner ausführlichen Lesung eines Kapitels aus dem Herrn der Ringe. Die Interpretation von Gollums schizophrenen Schüben, in denen Gollum und Smeagol immer wieder in Konflikt geraten, wirkt sowohl auf eingefleischte Star Wars Fans wie auf Herr der Ringe Liebhaber gleichermaßen faszinierend und bildet so nochmal einen gelungenen und eindrucksvollen Abschluss der gesamten Veranstaltung.

Auch wenn der Abend etwas später als veranschlagt zu Ende geht, wirkt kein Einziger der Zuschauer gelangweilt. Vielmehr ist die Menge auch nach dem offiziellen Ende des Events noch von so viel positiver Energie und Inspiration durchdrungen, dass viele sich noch Autogramme und Zeichnung bei Alan Lee abholen, die dieser mit viel Charme und Freude austeilt. Hach, so einen Gentleman trifft man auch nicht alle Tage..

  • geschrieben von Dominique (Turmforum, Teile Star Wars Meets Gollum) und Roxana (Demon Road, Star Wars Meets Gollum), editiert von Dominique