5 Fragen an Andreas Rauscher

Bei den Dragon Days 2018 erkundet Andreas Rauscher fremde Welten und insbesondere die Klingonen aus Star Trek. Gemeinsam mit dem Sprecher Benjamin Stedler wird die kriegerische Rasse in einem ganz neuen Licht betrachtet.
Andreas Rauscher ist seines Zeichens Wissenschaftler und Professor für Medienkulturwissenschaft. Er dringt dabei in moderne Forschungsgebiete vor – rund um Filme, Videospiele & Comics.

1. In deiner Forschung und deinem Unterricht zerlegst du alle möglichen Produktionen. Was gefällt dir am Fokuspunkt Popkultur am meisten?

Sie werden nicht nur analytisch zerlegt, sondern auch in ihrem audiovisuellen Einfallsreichtum und ihrer kulturellen Relevanz gewürdigt. Mich fasziniert an Phänomenen wie „Star Trek“, den Marvel-Comics und ihren Verfilmungen, an den „Simpsons“ und „Futurama“ oder auch an „Star Wars“ wie mit hoher Eigendynamik auf gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen reagiert wird. Zugleich entsteht im Wechselspiel zwischen den kreativen Interpretationsleistungen des Fandoms und dem gestalterischen Einfallsreichtum der Autor*innen ein über die Jahre hinweg ausdifferenziertes und variantenreiches Mythen-Patchwork. Dieses funktioniert in den spannendsten Fällen wie ein imaginäres Archiv der Popkultur, in dem sich die Mentalität, die Sehnsüchte, Hoffnungen und Ängste, aber auch die gesellschaftlichen Widersprüche der letzten Jahrzehnte widerspiegeln. Gerade „Star Trek“ wirkt als eine der wenigen Mainstream-Utopien in dieser Hinsicht wie ein ausgesprochen vielschichtiger Kommentar zu fünfzig Jahren Science-Fiction-Geschichte, von der euphorischen Aufbruchsstimmung der 1960er Jahre über die selbstreflexive Kritik der 1990er Jahre bis hin zur Revision des eigenen Mythos in den aktuellen Produktionen.

2. Du bist auch Vertreter der Game Studies, wie unterscheiden sich Videospiele da von Filmen und Co.?

Spiele zeichnen sich durch die ästhetische Eigenverantwortung aus, die sie an die Spieler*innen delegieren. Durch die Interaktivität des Mediums kann man selbst entscheiden, worauf sich die Aufmerksamkeit der Inszenierung richtet und häufig lässt sich auch der Rhythmus der Handlung bestimmen. Im Idealfall sollten die Spieler*innen durch ihr Handeln selbst bestimmen können, ob sich ein Spiel im Science-Fiction-Setting als vergnügliche Space Opera á la „Star Wars“, als meditative Erfahrung á la „2001 – Odyssee im Weltraum“ oder als diskursive Parabel im Sinne von „Star Trek“ gestaltet.

Vielleicht ist dieser Aspekt auch entscheidender als der immer wieder versprochene interaktive Film. Zahlreiche Vertreter dieses Genres, die den User*innen die Kontrolle über ihren eigenen Film versprachen, erwiesen sich als schlichte Quick-Time- und Button-Smash-Orgien. Die produktiven Schnittmengen zwischen Filmen und Games liegen im Bereich der Genrevariationen, des ästhetischen Austauschs und der dramaturgischen Erfahrungen, nicht indem ein Medium uninspiriert das andere imitiert. Einige Vertreter*innen der Game Studies haben die Idee eines interaktiven Films auch nicht ganz unberechtigt als „Holodeck-Mythos“ bezeichnet. Als in den 1990er Jahren einige Medientheoretiker*innen das Holodeck als Zukunft des interaktiven Dramas feierten, haben sie leider übersehen, dass der Reiz dieser Genre-Simulationsmaschine bei der „Next Generation“ und „Deep Space Nine“ häufig darin besteht, dass etwas schief läuft und der Orient-Express durch eine Shakespeare-Inszenierung donnert oder der Klingone Worf im Italo-Western landet, dessen moralische Ambivalenzen seinen Ehren-Kodex vollkommen aus dem Gleichgewicht bringt.

3. Bei den Dragon Days 2018 nimmst du Star Trek unter die Lupe. Was fasziniert dich an den Klingonen besonders?

Die Klingonen sind für mich eines der Musterbeispiele für das selbstreflexive Potenzial des „Star Trek“-Universums. In den 1960er Jahren dienten sie als kaum kaschierte Parabel für die Fronten im kalten Krieg. In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren wurden sie zu nicht immer einfachen Verbündeten der Föderation, deren Umgangsformen diplomatisches Fingerspitzengefühl erforderte und deren eigenwillige Kultur erst einmal verstanden werden musste. Eindeutige Grenzziehungen, wie sie sich in der traditionellen Space Opera finden, gab es nicht mehr. Die Situation entsprach postkolonialen Konstellationen im Weltraum. Die neu gestalteten Klingonen aus „Discovery“ wirken hingegen wie Orks im Weltall. Ich bin mir noch nicht sicher, ob das wirklich eine gute Idee der Showrunner war.

4. Welche der futuristischen Erfindungen aus Star Trek hättest du gern daheim?

Als Filmwissenschaftler hätte ich natürlich doch ganz gerne ein Holodeck, aber nur ohne die berüchtigten Quick-Time-Events sogenannter interaktiver Filme.

5. Wie gut ist dein Klingonisch und braucht man Vorkenntnisse für deinen Vortrag The Klingon Empire Strikes Back?

Der Vortrag wird Einsteiger freundlich und dennoch auch für Kenner der Klingonischen Kultur einige interessante Aspekte bereithalten. Mein Klingonisch ist leider trotz der intensiven medienwissenschaftlichen Beschäftigung mit „Star Trek“ nicht sonderlich ausgeprägt, aber ich hoffe, dass mir notfalls die spracherfahrenen Kolleg*innen, die mühelos Shakespeare im Original rezitieren, aushelfen können.


 

Andreas Rauscher bei den Dragon Days

Do. 18.10.2018 | 20:00 Uhr | Linden Museum
Klingonen
Mehr Infos hier